Bio-Bern ist über 30 (TM), das
heißt, seine Jugend fand in den späteren 70er und den langen
80er Jahren statt. Diese Jugend hat er heute in Form von tausend alten
Hifi-, Fahrrad-, Motorrad-, Modellbau- und Computerkatalogen und -zeitschriften
nebst einem losen Stapel Singleschallplatten aus dem Keller geholt, nachdem
er zuvor jahrzehntelang tapfer ein Ausmisten des Kellers verhindert hatte.
Hmmm.....grübel.....denk.....dämmer.....alles wird nun schwarzweiß
und durch eine fettbeschmierte Linse gesehen.....
Die Generation von Jungs, mit denen
Bio-Bern aufwuchs, hatte das Pech, nicht mehr Hippie und noch nicht Yuppie
(oder Popper, wie sie damals auf dem Schulhof sagten) zu sein und nicht
so recht zu wissen, wo sie hingehörten. (Vorletztes Jahr oder so war
es in Mode, sowas ähnliches als "Generation X" zu bezeichnen, aber
darunter verstand letztlich jeder etwas anders, und so ist dieses Wort
schon wieder verschwunden). Unter anderem als Folge des Nichtzugehörigkeitsgefühls
gab es in Bio-Berns Jugend drei Arten von Jungs.
1. Die Science-Fiction-Jungs. Diese
lebten überwigend in _zukünftigen_ Traumwelten, die angefüllt
waren mit Raumschiffen, Mondraketen, Computern, Luftkissenautos und Laserpistolen,
Vulkaniern, Terrestriern, blauem Licht, schwarzgelben oder damals noch
häufig rotweißen Schrägstreifen und pseudocomputerlesbaren
Schriften.
2. Die Fantasy-Jungs. Diese lebten
in _vergangenen_ Traumwelten, die angefüllt waren mit Gnomen und Trollen,
Rittern, Barbaren, Elfen, Kelchen, Kelten, Schwertern, Lehm, Dreck, beige-brauner
Erde und Schriften mit Tropfen unten dran (meine "2000"-Schrift hat diese
Tropfen dezent ausgeliehen!).
3. Die normalen Jungs. Denen war es
egal, daß sie nicht wußten, wo sie hingehörten, sie wußten
nicht einmal, daß ihnen das egal war. Sie lebten in überhaupt
keiner Traumwelt, sondern in der Gegenwart, und hatten den Kopf frei, Moppets
zu frisieren, mit Mädchen zu knutschen oder noch interessantere Dinge
zu tun. Ja, die gab es nämlich auch noch, nämlich
4. Die Mädchen. Über die
war wenig bekannt, außer, daß sie schönere Körper
hatten, daß man mit Ihnen nicht in derselben Traumwelt leben konnte
und daß man sie, wenn sie 16 oder so waren, nicht mehr Mädchen,
sondern Frauen nennen mußte. Tat man dies nicht, war das frauenfeindlich.
Es gab Attraktivitätsminuspunkte und es wurden Strafzahlungen in geheimnisumwitterte
sog. "Chauvikassen" angedroht, die in aller Munde waren, die aber selten
ein Mensch tatsächlich gesehen hatte.
Aus unserer heutigen aufgeklärten
Sicht mag es verwirrend oder fragwürdig erscheinen, daß es frauenfeindlich
und nicht etwa mädchenfeindlich sein konnte, Mädchen nicht als
Frauen zu bezeichnen, aber in jenen Tagen war das ein allgemein akzeptierter
Brauch. Jedenfalls in der Kaste, in der Bio-Bern (leider, wie er manchmal
dachte) aufwuchs. Aber das mag sein, wie es will, heute jedenfalls ist
es Pflicht, Mädchen Mädels zu nennen. Auch damit kann man leben,
man darf nur nicht zu lange darüber nachdenken, woher dieser Wechsel
so plötzlich kam.
Bio-Bern jedenfalls war ein Science-Fiction-Junge.
Er hielt sich nicht lange mit Weckern, Bügeleisen oder Fröschen
auf, sondern bastelte mit Kosmoskästen, Fischertechnik und den allerersten
Lämpchen-Computern. Enterprise und Mondbasis Alpha 1 guckte er wegen
der klasse Raumschiffe und den blinkenden Lämpchen, von der Handlung
war er weniger begeistert.
Die Mondflüge fand er klasse,
und zwar nicht wegen der Teflonpfannen oder ähnlichen Nutzwert-Ausreden,
sondern schon eher wegen der an Mr. Freeze-Wassereis erinnernden Siberfoliennahrung,
für die Teflonpfannen nun wirklich unnötig waren. Noch eher aber
wegen den geilen Düsenstrahlflammen, den glitzernd spiegelnden Ami-Helmvisieren,
den feinen Fadenkreuzlinien auf den Weltraumphotos von der Erde und den
toll technomäßigen Funkgerät-Countdown-Ignition-Brabbel-Klängen,
die so unverständlich waren wie Tonbandstimmen aus dem Jenseits.
Drax, der jünger als Bio-Bern
ist, hat gerade neulich geschrieben, daß er seine Jugend nicht mit
Stöckchenwerfen und Dämme bauen verbracht hat, wie das (offenbar
heute noch!) bildunxbürgerliche Kindes-Pflicht gewesen wäre,
sondern mit Acid-Demos anschauen und Aliens abballern auf Ataris und Amigas.
Genau sowas hätte Bio-Bern sicher auch getan, aber das gab es alles
erst in seiner späten Jugend. Und da hat er es dann auch getan.
Gleichzeitig kam aber allgemein die
Sorge auf, daß die ganze tolle Technik vielleicht doch nicht so toll
sein könnte, und daß die Menschheit, wenn sie so weiterbastelte,
den ganzen Planeten in Schutt und Asche legen und das Jahr 2000 nur noch
verseucht oder tot erleben könnte. Diese Sorge gab es eigentlich gleichermaßen
bei den Science-Fiction- und den Fantasy-Jungs (weniger bei den normalen
Jungs), auch Bio-Bern teilte diese Sorge.
Er hatte Kontakte zu einer Kaste,
die Techik "nicht gut" fand oder Ihr kuschelige Namen wie "Kasi" für
Kassettenrecorder oder "Kühli" für Kühlschrank gab, die
den Fernseher feindsehlig "Glotze" nannte, ihn als ein Werk von "Big Brother"
bezeichnete und davon träumte, ihn rituell aus dem Fenster zu stürzen,
das aber doch nie tat, sei es nun, weil sie ihn irgendwie doch mochte,
weil er zu teuer war oder weil Big Brother hätte verärgert sein
können, die ca. 2000 Karikaturisten hervorbrachte, welche allesamt
Karikaturen von Menschen mit auf verschiedene Körperteile gedruckten
Supermarktstrichcodes und Witze mit Äxten in Computerbildschirmen
zeichneten, um vor der "Verkabelung" des Menschen zu warnen, die eine Organisation
hervorbrachte, welche in der Studie "Global 2000" alles andere als atomgetriebene
Luftkissenfahrzeuge versprach, die klapprige Autos und Fahrräder mit
bunten Blümchen bemalte oder, etwas bürgerlicher, mit bunten
Prilblumen beklebte, um sie mögen zu können, und die Mondraketen
und Teflonpfannen nicht mochte.
Bio-Bern blieb davon nicht unbeeinflußt.
Aber weil er nunmal ein Science-Fiction-Junge war, widmete er sich halt
als Kompromiß der Fahrradtechnik. Die war, so dachte er sich, klasse
simpel und legte die Erde nicht in Schutt und Asche, konnte aber dennoch
bis zur amorphen Tetrazyclon-monochlorierten Triple-DickEnd-Titanspeiche
verfeinert werden. Das war schlau von Bio-Bern, denn so konnte er ein Science-Fiction-Junge
bleiben und gleichzeitig die Welt vor der nervigen In-Schutt-Und-Asche-Gelegt-Werderei
bewahren.
Schwer zu glauben, aber tatsächlich
hatte er Erfolg damit, zumindest bis heute, dem 20.4.1997! Die Erde lebt,
was Sie nach einem Blick aus dem Fenster sicher bestätigen werden!
Und so kann er nun diese Webseite basteln,
dem Jahr 2000 wacker ins Gesicht sehen, unter tausenden von Computerspielen
wählen, die haargenau auf erwachsen gewordene Science-Fiction-Jungs
oder Fantasy-Jungs zugeschnitten sind (er wählt die ersteren!), sprechende
Armbanduhren beim Türken billiger als ein Bauernbrot kaufen, mit Jungs
gleichen Alters und gleicher Kaste die von Max Goldt so benannten "Caramac-Spirograph-Gespräche"
führen in dem Bewußtsein, ihnen verraten zu haben, daß
sie damals _doch_ irgendwo dazugehört haben, sich wundern, daß
über Mädels immer noch wenig verläßliches bekannt
geworden ist und sich an seine Jugend erinnern, in der diejenigen Science-Fiction-Jungs,
die damals schon erwachsen waren und in Fachzeitschriften wie "Hobby" oder
"PM" Artikel schreiben durften, schon genau wußten, wie das Jahr
2000 aussehen wird.
Im Jahr 2000 wird es nämlich tolle
Sachen geben, die fast so schön sind wie Mondraketen:
-Städte auf dem Mond
-Städte auf dem Mars
-Städte auf der Erde mit zehnstöckigen
Luftkissenautostraßen
-Luftkissenautos mit Batterie- oder
Atomantrieb
-Haushaltsroboter mit umgebundener
Spitzenschürze, die den Tee servieren -Eßtische, die nach dem
Essen das dreckige Geschirr einsaugen, waschen und in den Schrank stellen
-Intelligente, schachspielende Computer,
die Kasparov schlagen und die Welt bedrohen
-Antimaterieantriebe
-einen postnuklearen Winter
-Damenoberbekleidung mit entblößten
Brustwarzen
-eine Gesellschaft, in der nur noch
wenige Menschen arbeiten müssen, weil die ganze Arbeit von Robotern
gemacht wird
-usw. usw.
Ja, all das wird es geben. Nur den
PC, der Zeitschriften, Spielfilme und Musik auf jedem Schreibtisch produzieren
könnte, wenn er den passenden Benutzer hätte, der 10.000.000
Mondraketenumlaufbahnen pro Sekunde errechnen könnte, wenn er nicht
gerade seinen Bildschirm mittels fliegender Toaster schonen müßte,
den man von seinem zwanzigstbesten Freund geschenkt bekommt, aber nur bei
Selbstabholung und wenn man ihn nicht zurückbringt, und den man mit
Millionen anderer PCs zu einem Internet zusammenhängen kann, in dem
man jedem anderen PC in Sekunden ein Schweine-GIF schicken kann, hat irgendwie
keiner vorausgesehen. Hmm.
Vermutlich wird er im Jahr 2000 durch
eine durch die Weltregierung verursachte Zeitanomalie wieder von der Erde
verschwunden sein und keiner wird sich an ihn erinnern. Schade!
Die "So leben wir im
Jahr 2000"-Homepage wird sich um folgende Themen kümmern:
-Mythen,
die in Bio-Berns Jugend eine Art Realität angenommen hatten
-Mythen,
die in Bio-Berns Jugend Phantasie waren und erst im Jahr 2000 eine Art
Realität annehmen werden
-Das Jahr 2000, was
ist das eigentlich? Sie erfahren es in dem Aufsatz
"Mythos 2000" von Nachbarsjunge EisEbs.
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